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/ Rückblick: Festival 2004
„Weißgerber“-Festival in Berlin 2004
Am 07. und 09. März fand in Berlin ein kleines Festival statt, das dem
Markneukirchner Gitarrenbauer Richard Jacob „Weißgerber“ (1877-1960) und
seinen Instrumente gewidmet war.
Sonntag
07.03.04 „Alter Ballsaal“ in Berlin Friedrichshagen: Dieser sehr schöne
Jugendstilsaal, mit einer hervorragenden Akustik und einer wunderbar
freundlichen Atmosphäre, schien geradezu gemacht für ein Treffen wie dieses,
zu dem nicht nur Berliner angereist waren, sondern unter anderem auch „Weißgerber“-Freunde
aus München, Aachen, Stralsund, Rostock und Bautzen.
Der
Hauptinitiator des Festival, Christof Hanusch, eröffnete den Abend mit einem
sehr informativen Vortrag über das Leben und Werk von Richard Jacob. Um
dessen Leben ranken sich viele Legenden, aber faktisch ist darüber sehr
wenig bekannt. Der Vortragende zeichnete das Bild eines außergewöhnlichen
Mannes, der nicht nur ein hervorragender Handwerker sondern auch Künstler
und Visionär war. Besonderes Augenmerk galt der Entwicklung der Bauweise von
Gitarren bei Richard Jacob, von den traditionellen deutschen und Wiener
Instrumenten bis hin zu den „spanischen“ Gitarren nach Torres und der
späteren, ureigenen, Bauweise: den Gitarren mit Hohlkehlen. (Bei diesen wird
Decke und Boden nicht durch Druck in eine Wölbung gepreßt, wie bei
spanischen Gitarren üblich, sondern die Wölbung wird aus dem Holz
herausgearbeitet.) Bei der Vielfalt von „Weißgerber“-Modellen bekam man hier
Aufschluß darüber zu welcher Zeit (und warum) der Meister so
verschiedenartige Instrumente gebaut hat. Der Vortrag wurde aufgelockert
durch umfangreiches Bildmaterial und Zitate von Richard Jacob, die zumeist
aus Briefen stammten.
Anschließend
wurde eine Ausstellung mit immerhin 16, vom Publikum mitgebrachten und dem
Veranstalter zusammengetragenen, „Weißgerber“-Instrumenten zur Besichtigung
freigegeben. Diese Gitarren wurden zwischen 1920 und 1959 gebaut und
bildeten einen repräsentativen Querschnitt durch das Schaffen Richard
Jacobs, wobei auch hier die Instrumente nach spanischem Vorbild im
Vordergrund standen. Interessant war die Vorstellung der einzelnen
Instrumente. Christof Hanusch erklärte detailliert die verschiedenen Modelle
mit ihren Besonderheiten und machte auf typische Merkmale bei „Weißgerber“-Gitarren
verschiedenen Bauperioden aufmerksam. Daß alle Gitarren auch
angespielt
wurden und man sich so einen Eindruck vom Klangbild der verschiedenen
Instrumente machen konnte, rundete die Führung ab. Die Frage welche „Weißgerber“-Epoche
nun die beste war wurde anhand der Tatsache ad absurdum geführt, daß
verschiedene Besucher auch ganz verschiedene Gitarren favorisierten.
Den
Abschluß des Abends bildete das Konzert von Hans-Michael Koch (Hannover). Es
wurden 5 spanische Modelle vorgestellt: Ein „kleines spanisches Modell“ von
1922, ein „Torresmodell“ von 1929, Modell „Simplicio“ 1937, ein
„Konzertmodell“ mit Hohlkehlen 1944/46 und eine „Große Konzert Solo“-Gitarre
mit ovalem Schallloch von 1953. Das Wagnis auf, in allen Belangen (Mensur,
Saitenabstand, Halsprofil etc.) sehr verschiedenen und zudem nicht eigenen
Instrumenten zu spielen, meisterte der Künstler bravourös!
Hans-Michael
Koch hatte ein umfangreiches Repertoire ausgewählt, welches mit der
Aufführungspraxis der Zeit, in der die jeweilige Gitarre gebaut wurde,
korrespondierte. Es erklangen Stücke von Tárrega und Sor, Albéniz und
Granados; de Falla und Villa-Lobos sowie zwei Berliner Komponisten: Baumann
und Hartig (bei der Auswahl der Stücke wurden die Repertoires von Llobet,
Segovia und Siegfried Behrend brücksichtigt) Die Verbindung von
Gitarrenmusik und Gitarrenbau im 20. Jahrhundert in Deutschland kam klar zum
Ausdruck. Schon am Nachmittag war einiges zu diesen Zusammenhängen gesagt
und Hintergründe beleuchtet worden; durch die überlegte Zusammenstellung der
Konzertprogramms wurde die Entwicklung der Gitarren nach spanischem Vorbild
bei „Weißgerber“ noch einmal verdeutlicht.
Das
zweite Konzert fand am 09.03.04 im Gitarrenfachgeschäft Wolf & Lehmann in
Berlin Mitte statt. Hier stellten verschiedene Gitarristen/innen ihre „Weißgerber“-Gitarren
vor. Mitwirkende waren Norbert Wuttke, Elise Neumann, Peter Just, Antje
Stahl, Nora Buschmann, Manfred Dierkes
und
Michael Waterstradt (db). Die Mischung von der sehr talentierten
Abiturientin Elise Neumann bis hin zu der virtuosen Professionalität einer
Nora Buschmann war interessant und vom Veranstalter durchaus beabsichtigt.
Ein Höhepunkt, und ganz besonderer Leckerbissen, des Abends war
sicher
der Auftritt des Duos Manfred Dierkes/Michael Waterstradt. Man kennt zwar
„Weißgerber“ Konzertgitarren, daß Richard Jacob auch zwei Jazzgitarren
gebaut hat weiß kaum jemand. Manfred Dierkes stellte solch ein Instrument
vor, unterstützt durch Michael Waterstradt am Kontrabass, und es war absolut
beeindruckend wie präsent und modern diese Gitarre von 1947 klang!
Abschließend
bleibt nur zu hoffen, daß dies nicht die letzte Veranstaltung dieser Art
war, sondern daß auch 2005 wieder ein „Weißgerber“ Festival stattfinden
wird. Da die Resonanz durchweg positiv war, stehen wohl die Chancen nicht
schlecht.
Uli. M. Kellner, Berlin im März 2004
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